Kapitel 2

 

Nach genau einer halben Stunde klingelte es auch schon an der Türe.

Nur schwer konnte ich mich von den Bildern trennen und stand auf.

Ein letzter Blick auf die Bilder, ehe sie hinter der Sofa lehne verschwunden waren.

In Situationen wie heute, konnte ich mich nur schwer bis gar nicht von meinen Bildern und meinen Erinnerungen lösen.

Hätte ich Jürgen nicht zu mir gebeten, hätte ich mir wohl auch nie die Mühe gemacht und hätte die Türe nicht geöffnet.

Aber ich wollte es so, denn ich brauchte Hilfe.

Mit schlurfenden Schritten erreichte ich dann endlich die Haustüre.

Schwerfällig öffnete ich sie und sah Jürgen direkt in die Augen.

Ich trat einen Schritt beiseite um ihn reinzulassen.

Jürgen drängte sich rein und schloss die Türe hinter sich.

Sofort lag ein beunruhigender Blick auf mir.

,,Willst du was trinken?“, fragte ich um die Stille zu durchbrechen.

,,Einen Kaffee.“, sagte er knapp.

Ich nickte und ging in die Küche.

Der Blick des Trainers bohrte sich in meinen Rücken.

Ein mehr als unangenehmes Gefühl.

Wollte ich doch nie so im Mittelpunkt stehen.

Als der Kaffee fertig war gab ich Jürgen eine Tasse, der sich in den Türrahmen gelehnt hatte und eine behielt ich für mich.

Mit der Hand deutete ich ihm stumm an, ins Wohnzimmer zu gehen.

Er nickte ebenfalls und ging dann in besagten Raum.

Ich folgte ihm und setzte mich wieder auf den Platz neben meinen Fotos.

Jürgen nahm mir gegenüber im Sessel platz.

 

 

,,Dir geht es mehr als dreckig, Kevin. Das kann ich sehen. Was ist denn nur los mit dir? Ich habe doch schon öfter das Gespräch zu dir gesucht. Aber wenn du mir nichts sagst, dann kann ich dir auch nicht helfen.“

Ich nickte resigniert.

Da hatte der Trainer ja auch nicht ganz unrecht.

Sicher hatte er schon öfter versucht mit mir zu reden und ja, ich war ihm immer ausgewichen.

Aber doch nur, weil ich selber keine Ahnung hatte, was ich machen sollte oder wie es weiter gehen sollte.

Als ich da so mit ihm saß, überkamen mich Zweifel, ob mir überhaupt jemand helfen könnte.

Wahrscheinlich könnte das wohl niemand, außer mir selber.

Ich atmete tief durch und sah dann auf zu Jürgen.

,,Also Kev, was ist los?“

,,Ich kann dir das nicht sagen. Es war einfach eine Scheiß Idee, dich herzuholen. Trink einfach in Ruhe deinen Kaffee und dann geh bitte wieder.“

,,Aber ich möchte dir doch helfen.“

,,Mir kann man nicht helfen.“

,,Das weißt du doch gar nicht. Mensch, dann sag mir doch wenigstens, was mit dir los ist. Ich möchte es zumindest versuchen. Du hast abgenommen, du siehst schrecklich aus, deine Leistungen haben nachgelassen. Das sind alarmierende Warnsignale, Kevin.

,,Es ist alles okay. Ich werde an mir arbeiten, damit ich wieder zu alter Form zurückfinde und dann geht es auch wieder bergauf. Ich habe im Moment wohl einfach einen kleinen Hänger.“

 

 

Eine kleinere Pause kehrte ein, in der Jürgen das scheinbar auf sich wirken ließ.

,,Einen kleinen Hänger? Kevin, das geht jetzt schon seit Monaten so und es wird immer schlimmer. Anfangs waren es nur deine Leistungen, was für uns im Verein schon schlimm genug war, dann war es dein Gewicht was immer mehr gesunken ist. Schau dich doch an. Du bist doch nur noch Haut und Knochen und wann hast du dich zum letzten Mal rasiert? Wann warst du das letzte Mal beim Friseur?“

Ich entschloss mich dazu nichts zu sagen.

Waren das doch alles Dinge, die meinen wehrten Trainer nichts angingen.

Gut, meine Leistungen vielleicht.

Aber er hatte genug Leute auf meiner Position, die er da spielen lassen könnte, also war das doch auch nicht mehr wichtig.

,,Ich habe gehört, dass du den Kontakt zu deinen Mitspielern ebenfalls schleifen lässt. Warum Kevin?“, fragte Jürgen weiter, als er keine Antwort bekam.

Aber auch hierauf würde er keine bekommen.

Wusste ich doch selber nicht, wieso ich plötzlich keine Lust mehr auf die Jungs hatte und die Jungs auch scheinbar nicht mehr auf mich, denn bei mir meldete sich ja auch keiner mehr.

Meine Bilder waren viel interessanter.

Ich besah mir lieber die Bilder, als meinem Trainer Antwort zu geben.

War er schließlich privat hier und das würde keine Strafe nach sich ziehen.

,,Ich habe gehört, dass deine Eltern weggezogen sind. Wieso ist das so? Ich dachte ihr hattet immer ein gutes Verhältnis zueinander.“

Bei dieser Frage blickte ich auf.

Was sollte ich sagen?

Wir hatten ja auch ein gutes Verhältnis, zumindest bis zu dem Tag an dem sie mir alles genommen hatten

 

 

Unschlüssig darüber ob ich antworten sollte oder nicht sah ich auf das Bild in meinen Händen und dann wieder auf zu meinem Trainer.

,,Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst. Es war wohl doch nicht so eine gute Idee dich herzuholen. Tut mir leid, wenn du den Weg umsonst gemacht hast, aber ich wäre jetzt gerne alleine.“

,,Kevin, dass hat...“

,,Ich wäre jetzt gerne alleine.“, unterbrach ich ihn bestimmt.

,,Also schön. Morgen um 11 Uhr ist Training.“

Mit diesen Worten stand Jürgen auf und verließ den Raum.

Ich konnte hören, wie er an der Türe noch einmal stehen blieb und sich umsah.

Er machte sich Sorgen, dass war mir klar.

Aber ich konnte und wollte ihm einfach nicht sagen, was mit mir los war.

Also entschied ich mich für das in dem Moment Beste und warf ihn quasi aus meinem Haus.

Dann hörte ich, wie er sich erneut in Bewegung setzte und zur Haustüre ging.

Auch dort hielt er nochmal kurz inne und verließ dann das Haus.

Um mich zu vergewissern, dass er auch wirklich gegangen war, drehte ich mich um und sah zur Haustüre.

Es war niemand mehr da und ich war wieder ganz alleine.

So, wie ich es haben wollte.

Denn ich merkte wieder einmal, dass es mir eben doch am besten ging, wenn ich alleine war.

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Thema: Kapitel 2

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