Das Ende des traurigen Lebens (Benedikt Höwedes)

 

Kapitel 1

 

Ich ging mit schnellen Schritten in mein Bad.
Das war der einzige Raum, den ich noch nicht verwüstet hatte.
Ich sah in den Spiegel und konnte meinen Anblick einfach nicht ertragen.
Wer war ich?
Was war ich?
Ich war ein nichts!
Alles, was ich mir aufgebaut oder in irgendeiner Weise erhofft hatte war weg.
Nichts war mehr so wie es sein sollte.
Mein Spiegelbild sah mich durchdringend an.
Wie in Trance erhob ich meine Hand und schlug in den Spiegel.
Mit klirrenden Geräuschen fielen die Scherben zu Boden.
Ich sah ihnen nach.
Ein einziger Haufen Scherben hatte sich vor meinen Füßen gebildet.
Ähnlich wie mein Leben.
Denn das war auch nur noch ein Haufen Scherben.
Ich ließ meinen Blick an der Wand hoch wandern, wo vorher der Spiegel gehangen hatte.
Dort waren noch einige Splitter, die fest hingen durch die Schrauben, mit dem der Spiegel befestigt war.
Mein Blick wanderte an der Wand weiter durch den Raum.
Dann blieb mein Blick an einem Schrank hängen.
Meine Beine bewegten sich zu diesem diesem, ohne das ich darauf Einfluss nehmen konnte.


Als ich vor dem Schrank stand sah ich eine Rasierklinge.
Diese funkelte verführerisch.
Vielleicht sollte ich es jetzt hier und sofort einfach so zu Ende bringen?!
Ich nahm die Rasierklinge in meine Hand.
Es schien, als würde sie plötzlich Tonnenschwer in meiner Hand.
Dennoch ließ ich sie nicht los.
Ich sah sie an und verfolgte, wie meine Hand sich zu meinem Arm bewegte und die Klinge ansetzte.
Interessiert und auch neugierig musterte ich die Klinge und sah zu wie sie einen Streifen nach dem anderen in meinen Arm schnitt.
Es kam mir vor, als sei es nicht mein Arm, der da zerschnitten wurde.
Ich spürte keinen Schmerz.
Wegsehen konnte ich nicht, also sah ich weiterhin zu.
Das Blut bahnte sich langsam den Weg aus den Wunden und lief in dünnen Rinnsalen an meinem Arm hinab zu meiner Hand, wo es schlussendlich auf den Boden tropfte.
Unaufhörlich schnitt ich weiter in mein Fleisch.
Ich weiß nicht, wie viele Schnitte es mittlerweile waren, denn ich konnte sie durch das Blut nicht mehr wirklich erkennen.
Doch dann stoppte ich plötzlich und die Klinge glitt mir aus der Hand.
Sie blieb in der Blutlache, die sich auf dem Boden gebildet hatte liegen.
Nur langsam nahm ich den Schmerz wahr, der sich langsam von meinem Arm in meinen Kopf vor arbeitete.
Mit einem Schlag wirkte plötzlich wieder alles klar, und ich spürte den Schmerz jetzt deutlich.
Ich verzog das Gesicht.
Verzweifelt und ohne Ahnung was ich jetzt tun sollte stolperte ich aus dem Bad.


Fast wäre ich in dem Blut auf dem Boden ausgerutscht, doch ich konnte mich noch so gerade an meinem Schrank festhalten.
Dabei hinterließ ich eine Blutspur auf dem weißen Badezimmerschrank.
Ich stolperte weiter in mein Wohnzimmer.
Dort stand ich nun und starrte auf meinen Arm.
Die Rinnsale waren mehr geworden.
Die Spuren, die das Blut sich auf meinen Armen gebahnt hatte, bildeten kleine Muster.
Der Schmerz war nun mehr als deutlich zu vernehmen.
Ich wusste nicht, was ich machen sollte und in meiner Verzweiflung rannte ich zur Haustüre.
Ohne mich noch einmal umzublicken riss ich sie auf.
Dann setzte ich erneut an und lief los.
Die Türe hinter mir fiel mit einem lauten Knall ins Schloss.
Ich lief einfach so durch die Straßen ohne große Ahnung wohin ich eigentlich wollte.
Es war mir aber auch in dem Moment völlig egal.
Die kühle Luft peitschte mir ins Gesicht.
Doch das hielt mich nicht ab meinen Weg fortzuführen.
Eher im Gegenteil.
Dadurch rannte ich noch schneller.
Plötzlich blieben meine Beine ohne einen Befehl meines Kopfes stehen.
Ich sah mich um.
Eine Brücke.
Ich stand mitten auf einer Fußgängerbrücke.


Alles wirkte so irreal.
Wie in einem Film.
Teilweise hatte ich das Gefühl, dass nicht ich es war, dem das alles passierte, sondern das ich jemand anderem zusah, wie es mit ihm geschah.
Erneut bewegten sich meine Beine, ohne das ich ihnen Befehle gab.
Es war als hätte jemand anders die Kontrolle über meinen Körper eingenommen und ich musste dabei zusehen.
Dagegen wehren konnte ich mich nicht.
Ich näherte mich mit wenigen Schritten dem Geländer der Brücke.
Mein Blick glitt an dem Geländer vorbei, auf den Boden unterhalb der Brücke.
Dort konnte ich in der Dunkelheit Schienen ausmachen.
Ich sah nach rechts und nach links, aber ich konnte niemanden erkennen.
Es muss mitten in der Nacht sein, denn die Dunkelheit hüllte die Umgebung in ein schwarzes Tuch, die nur dürftig beleuchtet wurde.
Ein letzter Blick in alle Richtungen verriet mir, das immer noch niemand in meiner Nähe war.
Ich sah noch einmal auf die Schienen und fasste dann einen Entschluss.
Wenn ich es schon beenden wollte und sollte, dann jetzt und hier.
Meine Füße stellten sich ohne große Gegenwehr auf das Geländer der Brücke.
Mühsam und durch die Schmerzen in meinem Arm gehindert hangelte ich mich hoch, bis ich vollends auf dem Geländer hockte.
Langsam stellte ich mich zu meiner vollen Körpergröße auf.
Durch den Blutverlust den ich erlitten hatte begann ich zu schwanken.
Aber das ignorierte ich und sah einfach nur hinab auf die Gleise.

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