Abhängig, allein und hilfesuchend

 

Kapitel 1

 

Wieder einmal saß ich alleine zu Hause.

Kaum zu glauben, dass ich wirklich alleine war.

In einer Stadt wie Dortmund war man doch eigentlich nie alleine.

Doch ich war schon viel zu lange alleine.

Ich hatte mich an den Gedanken gewöhnt.

Meine Mitspieler wandten sich von mir ab.

Fragten aber nicht wieso.

Sie sagten mir, dass ich mich verändert hätte und das sie sich den alten Kevin zurück wünschten.

Aber auch hier fragte niemand wieso ich mich verändert hatte.

Wieso ich nicht mehr der alte Kevin war, der ich mal war und den ich mir manchmal herbei sehne.

Oft schwelgte ich in Erinnerungen.

Es verging kein Tag, an dem ich nicht zu Hause saß und mir etliche Bilder und Zeitungsartikel ansah.

Meine Eltern hatten mir damals alles gegeben, bevor sie sich von mir abwendeten.

Auch die beiden hatten gemerkt, dass etwas nicht stimmte mit mir.

Hier wurde aber auch nicht gefragt wieso und weshalb.

Immer wieder hatte ich den Eindruck, dass sich niemand für mich interessierte.

Und durch die Tatsache, dass sich keiner mehr mit mir beschäftigte, bestätigte es meinen Eindruck.

Damals hatten die Jungs vom BVB mich öfter besucht oder ich war bei denen zu Besuch.

Aber auch das gehörte der Vergangenheit an.

Traurig aber wahr.

Ich war alleine und das in einer Situation wo ich wohl am meisten Hilfe brauchte.

 

 

Auch jetzt saß ich wieder mit einem Fotoalbum auf dem Schoß in meinem Wohnzimmer und sah mir Bilder an.

Fotos, die Geschichten erzählten, die teilweise nur wenige Menschen kannten, aber die mir immer und immer wieder sehr zu schaffen machten.

Ich sah Bilder von Lenny und mir stiegen sofort die Tränen in die Augen.

Gott, was vermisste ich den Kleinen.

Aber ich wusste auch, dass es nicht gehen würde, dass ich ihn sah.

Ich hatte schon öfter bei meinen Eltern vor der Türe gestanden.

Sie hatten den Wohnort gewechselt, als sie merkten, dass ich mich verändert hatte.

Einfach in einen anderen Stadtteil von Dortmund.

Bloß weit weg von dem Sohn, der nicht mehr ihr Sohn zu sein schien.

Oft hatte ich darum gebettelt meinen Kleinen zu sehen.

Aber meine Mutter hatte mir immer wieder die Türe vor der Nase zugeschlagen und gesagt, dass sie mich nicht mehr kennen würde und das ich sie alleine lassen sollte.

Das sie keine Ahnung hätte was ich wolle und das sie mich nicht mehr brauchten.

So wurde man auf das Abstellgleis gestellt, wenn die Eltern von ihren Kindern genug hatten.

Der Gedanke daran schmerzte heute noch und ich wusste nicht so wirklich, was ich davon halten sollte.

Ich sollte meine Eltern hassen, weil sie mir alles genommen hatten, was in meinem Leben noch einen Sinn ergeben hatte, aber ich konnte einfach nicht.

Denn ich liebte sie dennoch.

Ich hatte ihnen vieles zu verdanken, letztendlich auch mein Leben.

 

 

Meine Eltern waren wohl tatsächlich der Meinung, dass ich glücklich war mit meinem Leben.

Oftmals wünschte ich mir, dass sie mich damals einfach nicht bekommen hätten.

Hätte wohl wahrscheinlich einiges leichter gemacht.

Aber jetzt war ich nun mal da und musste wohl auch das Beste draus machen.

Außerdem hatte ich immer noch Lenny.

Auch wenn ich den Kleinen nicht sehen konnte, oder viel mehr durfte, so wusste ich doch, dass es alleine für ihn schon wichtig war, dass ich meine verdammten Probleme in den Griff bekam.

Ich wusste auch, dass ich es nicht alleine in den Griff bekommen würde.

Das hatte ich in den vergangenen Tagen gemerkt.

Diese Hilfe würde ich mir holen und dann würde ich mir holen, was mir gehörte und dann konnte ich endlich ein normales Leben führen, so wie ich es immer wollte.

Ich legte das Bild zur Seite und nahm das nächste zur Hand.

Es zeigte mich in einem BVB Trikot.

Mein ganzer Stolz, meine Liebe, mein Leben, meine Borussia.

Auch heute kickte ich immer noch gerne für meine Heimatstadt.

Jürgen, mein Trainer, hatte da leider so seine Probleme.

Ich hatte abgenommen und auch meine Kräfte schindeten immer mehr.

Was ihn dazu brachte, mich immer öfter auf die Bank zu setzen, statt mich spielen zu lassen.

Das war natürlich für einen Spieler wie mich die reinste Hölle.

Ich hatte eingesehen, dass ich keine 90 Minuten mehr schaffen würde, aber ein paar Minuten schaffte ich immer.

Aber auch im Training hatte meine Leistung abgenommen, was Jürgen dazu veranlasste, dass Gespräch mit mir zu suchen.

 

 

Aber auch diese Gespräche waren immer recht schnell beendet, weil ich nichts sagen konnte und wollte.

Das wollte ich heute ändern.

Ich brauchte Hilfe und ich war alleine.

Nicht wirklich wissend, an wen ich mich sonst hätte wenden können, ging ich zu Jürgen.

Der war eigentlich immer etwas wie ein Papa für uns und stets auf unserer Seite und auf unser Wohl bedacht.

Entschlossen klappte ich das Fotoalbum zu und legte es neben mich auf die Couch.

Ich stand auf und nahm mein Telefon zur Hand.

Sofort wählte ich die Nummer meines Trainers wie in Trance und hielt mir den Hörer ans Ohr.

,,Klopp?“, hörte ich auch schon nach kurzem Freizeichen.

,,Jürgen? Kevin hier.“

,,Hallo Kevin. Was kann ich für dich tun?“

,,Hast du Zeit für mich? Ich würde gerne reden.“

,,Klar. Soll ich zu dir kommen oder willst du dich in der Stadt treffen?“

,,Nein, komm bitte zu mir.“

,,Okay. Ich bin in einer halben Stunde bei dir.“

,,Danke.“, sagte ich noch knapp und legte auf.

Ich stellte das Telefon zurück auf die Ladestation und setzte mich auf das Sofa zurück.

Nun war warten angesagt.

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