Das traurige Leben des Manuel N.

 

Ich schlenderte durch die Straßen Gelsenkirchen´s.

Es ist schon Jahre her, das ich so viel Zeit aufbringen konnte und hier so gemütlich entlang schlendern konnte.

Seit ich damals meinen Entschluss gefasst habe und den Verein gewechselt hatte, war ich nicht mehr hier gewesen.

In meiner Heimat.

In meinem Gelsenkirchen.

Damals war ich noch jünger und naiv.

Als ich meinen Wechsel vom FC Schalke 04 zum FC Bayern München bekannt gab, dachte ich, ich könnte mich bei den Bayern nur verbessern.

Ich dachte als Nummer 1 der deutschen Nationalmannschaft hätte ich einen Sonderstatus bei den Bayern.

Schließlich war ich ja nun mal nicht irgendwer.

Ich war beziehungsweise bin Manuel Neuer und ich wusste damals schon, was ich für Qualitäten hatte zwischen den Pfosten.

Da es mit Schalke und der Meisterschaft dann doch nicht klappte in der Zeit wo ich dort war wollte ich doch auch endlich mal einen Titel gewinnen.

Ich meine nicht irgendeinen Titel.

Nein, ich wollte den höchsten nationalen Titel gewinnen, den man bekommen konnte.

Da die Bayern mir auch mehr Geld boten als die Schalker willigte ich den Wechsel ein.

 

 

Die Pressekonferenz damals hat mir das Herz gebrochen.

Ich hätte niemals damit gerechnet, das mir der Abschied so schwer fallen würde.

Aber am meisten habe ich wohl Benni damit weh getan.

Er war mein bester Freund.

Und ich habe ihn enttäuscht.

Ihn einfach im Stich gelassen und auf Schalke zurück gelassen.

Nachdem dann bekannt wurde das ich wechseln würde, wandte er sich von mir ab.

Ich war damals sauer auf ihn und konnte es nicht verstehen.

Sollte er doch schließlich als mein bester Freund hinter mir stehen und mich unterstützen.

Heute weiß ich, dass er Recht hatte mit seiner Reaktion.

Ich hätte auf ihn hören sollen.

Anfangs hatte ich noch Kontakt mit Mats.

Er war schließlich auch sehr gut mit Benni befreundet.

Und durch die Nationalmannschaft und durch Benni hatte ich mich über die Jahre auch mit ihm angefreundet.

Er war wirklich ein guter Kerl, für eine Zecke.

Damals, als ich verabschiedet wurde, war er sogar dabei.

Ich hatte ihn eingeladen.

Erfreut stellte ich fest, dass er sich unter die ganzen Schalker gemischt hatte und auch gekommen war.

Wirklich damit gerechnet hatte ich nicht.

Dann kam der Wechsel.

Es war nicht nur ein Wechsel des Vereins, sondern auch ein Wechsel meines Seins.

 

 

Das erste Spiel für meinen neuen Verein war wirklich mehr als Scheiße.

Das muss ich einfach so anerkennen.

Wir hatten 1:0 verloren und das auch noch durch einen Fehler von mir.

Ich hatte das anfangs noch auch meine Unsicherheit geschoben, die am Anfang noch in meinen Knochen steckte.

Aber im laufe der Saison merkte ich einfach, das mir dort, bei den Bayern, Fehler unterliefen, die ich mir auf Schalke nie erlaubt hätte.

Diese Fehler häuften sich.

Mir wurde von einigen Spielern gut zugeredet.

Diese meinten das wäre normal und würde sich wieder geben.

Aber je mehr Fehler ich machte, desto unsicherer wurde ich.

Ich war doch eigentlich ein Weltklasse Keeper.

Wieso waren jetzt diese Fehler da?

Die erste Saison verlief dann mehr als scheiße für uns.

Denn die Meisterschale ging an die Borussia aus Dortmund.

Wir wurden nur zweiter.

Im DFB Pokal hatten wir dann das Finale gegen den BVB.

Auch dort gewann der BVB den Titel.

Wir wurden erneut nur zweiter.

In der Champions League hatten wir dann das Finale gegen den FC Chelsea.

Hier gewann der FC Chelsea.

Wir wurden wieder nur zweiter.

Schlussendlich ging nicht mal die Torjägerkanone an uns.

Die Sicherte sich der FC Schalke 04 mit Klaas Jan Huntelaar.

Auch hier wurden wir durch Mario Gomez nur zweiter.

 

 

Alles in allem war es eine wirklich frustrierende Saison.

Diese setzte mir auch sehr zu.

Die zweite Saison bei den Münchenern sollte besser werden.

Zumindest für mich.

Aber auch für die Titel.

Die ersten Spiele liefen sehr gut und wir standen an der Tabellenspitze.

Doch im laufe der Saison war der Vorstand mit meinen Leistungen nicht mehr einverstanden.

Sie setzten mich auf die Bank.

Meine Einsätze wurden immer weniger.

Irgendwann wurde ich dann gar nicht mehr eingesetzt.

Nicht mal wenn Not am Mann war.

Das war noch frustrierender.

Ich geriet in einen Sog, der mich immer tiefer in die Leere zu ziehen schien.

Letztendlich lösten die Bayern dann meinen Vertrag mit mir auf.

Nun war ich Vereinslos.

Und das schon mit 27.

Ich hatte ja durchaus noch ein paar Jahre, die ich spielen könnte.

Die Saison lief noch, daher war ein Wechsel zur Zeit auch nicht möglich.

Vielleicht im Sommer.

Aber wohin?

Zurück auf Schalke würde ich mich wahrscheinlich nicht trauen.

Ich glaube auch nicht, dass die mich zurück nehmen würden.

Vielleicht sollte ich mir dann einfach einen anderen Verein suchen.

Ja, vielleicht sollte ich sogar ins Ausland wechseln.

Und dort mein Leben von vorne beginnen.

 

So kam es also, das ich nun während der Saison Zeit hatte, durch meine alte Heimat zu laufen.

Ich hatte nachdem der Vertrag aufgelöst wurde direkt meine Wohnung gekündigt und bin zurück nach Gelsenkirchen gezogen.

Zurück in mein geliebtes Buer.

Schon öfter spielte ich mit dem Gedanken mich bei Benni oder Mats zu melden.

Denn auch der Kontakt mit Mats wurde immer weniger und ist dann schließlich´

ganz eingeschlafen.

Klar, er hatte ja auch einiges zu tun mit seiner Borussia und seinem Platz in der Nationalmannschaft.

Aber es ist wirklich schon komisch zu sehen, wie sehr man sich doch nach einem Wechsel verändert.

Ich merkte teilweise sogar das ich verdammt arrogante Dinge an mir entdeckte, die ich damals nicht hatte.

Das ich unglücklich und unzufrieden war im Kasten der Bayern musste ich mir dann irgendwann doch eingestehen.

Aber ich hatte einen Vertrag unterschrieben, an den ich mich halten musste.

Ich spürte aber mit jedem Spiel immer mehr, dass es mir nicht gut geht damit.

Selbst meine Vereins Kollegen, das waren sie zumindest noch zu dem Zeitpunkt, sprachen mich darauf an.

Und schon wurde wieder neuer Druck ausgeübt.

 

`Manu, du bist die Nummer 1. Du musst Leistung bringen. Verstehst du? Du MUSST!

´

 

Oder Sätze wie

 

´Geh doch zurück nach Gelsenkirchen wenn es dir hier nicht gefällt.´

 

Waren nur zwei von vielen Sätzen, die ich mir in der Zeit dort anhören durfte.

 

 

Ich merkte, dass sie mich innerlich auf fraßen.

Aber ich stand alleine da.

Keiner wollte etwas mit mir zu tun haben nach meinem Wechsel.

Alle hatten sich gegen mich gestellt.

So hatte ich niemanden mit dem ich reden konnte.

Den ich um Rat fragen konnte.

Oder mit dem ich einfach mal etwas Spaß haben könnte.

Ich hatte schon ewig nicht mehr richtig gelacht.

Das was ich bei den Bayern auf diesen Fotos die ständig gemacht wurden zustande brachte war alles gespielt.

Ich weiß nicht, wie oft ich mich danach gesehnt habe, die Zeit zurück zu drehen und einfach wieder auf Schalke zu sein.

Mein Schalke.

Mein Gelsenkirchen.

Wahre Liebe konnte man wohl nicht leugnen.

Das und vieles mehr, ist mir in der Zeit in München einfach klar geworden.

Nun war es wohl einfach an der Zeit vergangenes ruhen zu lassen uns nach vorne zu sehen.

Ich versuchte die Gedanken zu vergessen.

Eigentlich sollte ich ja glücklich sein, das ich endlich meinen Vertrag auflösen konnte und wieder hier bin.

Das war ja eigentlich das, was ich immer wollte.

Dennoch war ich nicht wirklich glücklich.

Das alles, das hatte keinen Sinn, wenn man keine Freunde hatte, mit denen man seine Freude teilen konnte.

Oder mit denen ich meine Rückkehr feiern konnte.

 

 

Als ich so durch die Innenstadt Gelsenkirchen´s ging, schaute ich mir die Leute um mich herum an.

Der ein oder andere erkannte mich und strafte mich mit einem bösen Blick.

Doch das hatte ich wohl auch einfach verdient.

Ich hatte auch die Fans sehr enttäuscht.

Aber am meisten hatte ich wohl mich selber enttäuscht.

Plötzlich erkannte ich zwei Männer, die ich schon von weitem erkannte.

Mats und Benni.

Die beiden hatten sich wohl getroffen um zu shoppen.

Ja, die beiden sind schon immer gerne zusammen shoppen gegangen.

Die beiden haben mich noch nicht gesehen, obwohl ich schon fast vor ihnen stehe.

Ich würde so gerne mit den beiden reden, aber irgendwie kann ich es einfach nicht.

Solange habe ich die beiden schon nicht mehr gesehen.

Jetzt schaue ich direkt in ihre Gesichter.

Ich suche nach einer Reaktion.

Eine Reaktion?

Nein, eigentlich suche ich mehr.

Ich suche alte Freunde in ihrem Gesichtern.

Vielleicht sogar ja auch Freude mich doch endlich wieder zu sehen.

Tief in meinem Innern flehte ich die beiden an sich zu erinnern.

Wir hatten so viel erlebt und nun hatte ich das Gefühl, das davon nicht mehr geblieben ist.

Das all die ganzen Jahre die wir zusammen Verbracht haben ausgelöscht wurde.

Ich fragte mich, wo der Funke geblieben ist, der uns über die Jahre verbunden hat.

Ist es nicht eigentlich so, dass Freunde diesen Funken, dieses gewisse Etwas nie vergessen?

Die beiden scheinen es nicht mehr zu haben.

Dabei haben wir uns damals die Freundschaft geschworen.

Wir haben uns geschworen, dass wir immer zusammen halten, egal was passiert.

Davon ist wohl nichts mehr geblieben.

Wir haben den Funken verloren.

 

 

Es drängte sich mir die Frage auf, ob es den beiden wohl genauso gehen würde. Das sie mich vielleicht auch nicht verstehen, so wie ich die beiden nicht wirklich verstehen kann.

Es ist ein so komisches Gefühl.

Ganz anders, als das, was wir sonst gefühlt haben, wenn wir uns getroffen haben.

Wir waren Freunde.

Freunde fürs Leben.

Und nun soll das alles zu Ende sein?

Als ich noch ein Stück näher an die beiden ran kam, konnte ich ihnen noch besser in die Augen schauen.

Das was ich da sah zerriss mir das Herz.

Ihre Augen blickten beide leer zu mir.

Der Blick jagte mir einen Schauer durch den ganzen Körper.

Ihre Augen blickten wie tot.

Nun wusste ich, dass es unsere Freundschaft nicht mehr gibt.

Sie ist gelöscht und nicht mehr existent.

Ohne ein Wort zu sagen gehe ich an den beiden vorbei.

Ob sie mir noch einmal nachgesehen haben oder nicht kann ich nicht sagen.

Mein Körper füllte sich plötzlich mit einer so großen Leere, dass ich nichts mehr spürte.

Ich müsste verletzt sein.

Aber selbst das nahm ich in dem Moment nicht mehr wahr.

Ich fühlte mich wie tot.

Anfangs dachte ich, mit meinem Wechsel schien nur ein Teil von mir gestorben zu sein.

Nun bin ich sicher, das es nicht ein Teil von mir war, sondern das ich es war, der gestorben ist.

Auf eine andere Art, aber ich wusste, das ich auf eine gewisse Art und Weise nicht mehr existent war.

Es fühlte sich an als wenn ich wie ein Geist durch die Gegend schweben würde.

 

 

Ich fing an zu laufen.

Meine Schritte waren riesig.

Mein Tempo steigerte sich stetig.

Es war, als wenn ich um mein Leben rennen würde.

Dabei hatte ich das doch schon lange verloren.

Ich lief so lange, bis ich bei mir vor der Haustüre zu stehen kam.

Schnell suchte ich meinen Haustürschlüssel raus und schloss die Türe auf.

Nachdem ich mein Haus betreten hatte, schmiss ich diese hinter mir zu.

Erst setzte ich mich auf mein Sofa.

Völlig außer Atem.

Ich schien zu realisieren, was passiert ist.

Nun spürte ich, dass sich meine Kehle zu zu schnüren schien.

Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer.

Die Tränen stiegen mir in die Augen.

Ich machte mir nicht die Mühe sie zurück zu halten.

Sie bahnten sich den Weg über meine Wangen nach unten.

Erst noch langsam aber dann kamen sie immer schlimmer aus meinen Augen gequollen.

Wie ein Sturzbach rangen sie über meine Wangen und fielen auf den Boden.

Doch plötzlich wich die Trauer der Wut.

Warum heulte ich denn hier?

Ich war doch selber schuld.

Das war es wohl, was die Leute immer meinten wenn sie sagen ´man schaufelt sich sein eigenes Grab.´

Meine Wut packte mich und ich stand auf.

Ich lief durch meine Wohnung und fing an alles kaputt zu schlagen und zu verwüsten.

Wenn ein Teil von mir gestorben ist, dann sollte jetzt vielleicht endlich der ganze Teil des Manuel Neuer sterben!

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