Kapitel 5

 

2002

 

Mein Vater und ich hatten seit der Trennung von meinen Eltern in den Anfangs Jahren ein durchwachsenes Verhältnis zueinander.

Anfangs fuhr ich noch alle 14 Tage am Wochenende zu ihm, was sich aber auch immer weniger wurde, als er eine neue Frau kennenlernte.

Ich konnte die Frau nicht leiden und sie mich nicht.

Sie brachte zwei weitere Kinder mit in die später geschlossene Ehe von meinem Vater und ihr.

Das sie mich nicht leiden konnte, bildete ich mir nicht ein.

Keine gute Mutter auf dieser Welt, würde Lebensmittel verstecken, damit die Kinder nichts zu essen bekamen.

Diese Hexe war so.

Sie stellte das Brot auf den Kühlschrank und schloss die Lebensmittel ein, damit ihre Kinder und ich nichts zu essen hatten.

Sie lag lieber bis Mittags mit meinem Vater im Bett, statt sich um uns zu kümmern.

Welch tolles Vorbild!!!!

Das und noch vieles mehr waren Eskapaden, die ich mir mit zunehmenden Alter nicht mehr antun wollte und konnte.

Also brach ich den Kontakt 1998 ab.

Dies hielt allerdings nicht lange.

Nur zwei Jahre danach, in Jahre 2000, nahm ich den Kontakt zu ihm wieder auf.

Immer mehr merkte ich, dass er mir fehlte und das ich einen Vater genauso nötig hatte, wie eine Mutter.

Ich erinner mich noch gut an den Tag, an dem ich den Kontakt wieder aufgenommen hatte, denn wir waren gemeinsam bei seinen Eltern, meinen Großeltern.

Das war ein nicht geplantes Treffen und dennoch kamen wir an diesem Tag zusammen.

 

 

Ich saß heulend bei meinen Großeltern vor der Schlafzimmertüre in einem Meterlangen dunklen Flur und war mit meinen Nerven am Ende.

Hatte ich meinen Vater gesehen und gemerkt, wie sehr er mir doch fehlte.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch die Vorstellung einer perfekten Familie und wollte diese auch haben.

Ich wusste, dass mein Vater eine neue Frau hatte und das ich mit dieser nicht zurecht kam, aber für den Kontakt zu meinem Vater war mir auch das Recht.

Also würde ich das ertragen, um den Kontakt mit meinem Vater zu bekommen.

Es dauerte nicht lange, da wurde auch schon meine Oma auf mich aufmerksam und kam zu mir.

Schnell hatte ich ihr erklärt, wieso ich dort saß und so fertig war.

Tränen rannen mir in Strömen über das Gesicht und bildeten größere Flecken auf meiner Jeans.

Meine Oma verstand sofort und tat in dem Moment wohl das einzig Richtig und ging zu meinem Vater.

Kurze Zeit später saß der auch schon neben mir in dem Flur und sah mich mitfühlend an.

Nachdem ich einigermaßen meine Fassung wiedererlangt hatte, erklärte ich ihm, dass ich den Kontakt zu ihm gerne wieder hätte und das ich es ohne ihn nicht aushalten würde, dass ich ihn doch bräuchte und er doch mein Vater sei.

Er willigte sofort ein, den Kontakt wieder aufzunehmen und schloss mich in seine Arme.

Eine Geste, die ich so lange vermisst hatte, und nun endlich wieder spüren durfte.

Etwas, was mir nicht nur von meinem Vater gefehlt hatte, sondern auch von allen anderen Menschen aus meiner Familie, ausgeschlossen meine Großeltern väterlicherseits, denn die waren von meiner Geburt an für mich etwas wie meine Ersatzeltern.

 

 

Dies hielt allerdings auch noch weitere zwei Jahre, denn dann brach ich Anfang des Jahres 2002 den Kontakt erneut ab.

Ich wurde älter und hatte festgestellt, dass ich wohl ohne ihn besser zu Recht kam als mit ihm.

Mir wurde einfach bewusst, dass ich scheinbar doch keinen Vater brauchte.

Erst Recht keinen Vater, der es nie ernst gemeint hatte mit seiner Tochter.

Oft hatte ich das Gefühl, dass ich ihm nur eine Last war und nichts anderes.

Vor allem nachdem er seine neue Frau hatte und mit der auch noch ein weiteres Kind, meinen Halbbruder bekam.

Ich war mir sicher, dass ich mein Leben auch ohne ihn bestreiten konnte und es war eine seltsame Kälte in mir, wenn ich an ihn dachte.

Es gab keine Situationen mehr, in denen ich heulend im Bett lag und ihn vermisste.

Scheinbar hatte ich mich damit abgefunden und mir eingestanden, dass ich das was ich wollte wohl nie haben würde.

Also warum sollte ich dann weiterhin die Zeit mit einem Mann verschwenden, der sich mein Vater schimpfte, wenn ich diesem doch eh egal war?

Das hatte ich nicht nötig und das hielt ich mir immer und immer wieder vor Augen.

Vor allem dachte ich mir, wenn ich älter würde, würde es mir wohl auch immer leichter fallen, nicht an ihn zu denken und mein Leben ohne ihn zu bestreiten.

Denn Menschen, denen ich egal war, die wurden auch mir über die Zeit egal und ich war mir sicher, dass auch mein “Vater“ dazu gehörte.

So kam es über die Zeit, dass ich ihn nicht mehr “Papa“ nannte, sondern nur noch seinen Vornamen sagte, wenn ich von ihm sprach.

Das allerdings auch nur, wenn ich mit meiner Familie redete, was selten vorkam.

Denn das Thema wurde irgendwie immer totgeschwiegen.

Bei meinen Freunden galt er ab diesem Tag für mich nur noch als “mein Erzeuger“.

Und mir ging es gut dabei, ihn nur noch als dieses zu bezeichnen.

Konnte etwas, was sich gut anfühlte wirklich so falsch sein?

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