Kapitel 13

 

4 Wochen später

 

So wirklich verdaut hatte ich den Schock immer noch nicht.

Julien hatte die Gerichtsmedizinische Untersuchung hinter sich gebracht und es hatte sich raus gestellt, dass es sich bei seinem Tod auch ganz sicher um Suizid handelte.

Er hatte eine Überdosis Schlaftabletten und eine Überdosis Schmerztabletten mit Wodka geschluckt und bevor er sich erhängt hatte sich noch die Pulsadern aufgeschnitten.

Ein mehr als deutliches Zeichen dafür, dass er wirklich sterben wollte, was ihm auch gelungen war.

Wir hatten dann auch offiziell die Genehmigung seine Wohnung zu räumen.

Der Vermieter hatte uns mehr als Druck gemacht, dieser alte Idiot.

Er wollte die Miete weiterhin haben, die wir ihm aber nicht geben konnten.

Julien selber wurde nach der Obduktion auf einem Friedhof nahe der italienischen Grenze beerdigt.

Seine Mutter war Italienerin und sein Vater Franzose, da hatten wir einfach den Wunsch ihn dort beerdigen zu lassen.

Der Arbeitgeber Julien´s hatte sich bereit erklärt die Kosten der Bestattung zu übernehmen, was es für Chris und mich wesentlich leichter gemacht hatte.

Julien wurde ohne uns und ohne andere Mitglieder beerdigt.

In aller Stille und niemand von uns weiß genau, wo er liegt.

Oft hatte ich den Wunsch ihn an seinem Grab zu besuchen und oft wollte ich herausfinden, wo er genau liegt, aber nirgendwo bekam ich Auskunft darüber.

 

 

Heute, vier Wochen nach seinem Fund, wollte ich mich mit Chris treffen um die Wohnung leer zu räumen.

Wir trafen uns an der üblichen Stelle und fuhren gemeinsam zu seiner Wohnung.

Die ganze Zeit über hatte ich ein mulmiges Gefühl, aber ich wusste genauso gut wie Chris, dass es erledigt werden musste.

Als wir an seiner Wohnung ankamen, schloss er die Wohnung auf und wir gingen hinein.

Noch bevor ich das Wohnzimmer betreten konnte, hatte Chris sich auch schon an die Arbeit gemacht das Blut im Wohnzimmer wegzuwischen.

Nichts sollte uns an seinen Anblick erinnern, aber das Tat jeder Zentimeter dieser Wohnung.

Julien hatte einen Raum, in dem niemand von uns je drin war.

Selbst ich als seine beste Freundin hatte keine Ahnung, was sich hinter der Türe verbarg, die er immer abgeschlossen gehalten hatte.

Er hatte einen Schlüssel auf dieser Türe.

Es wäre ein leichtes gewesen mich in dem Raum umzusehen, wenn er nicht da gewesen ist, aber ich hatte seine Privatsphäre immer toleriert und war nie in dem Raum drin.

Nun stand ich fragend vor dieser Türe und wusste, dass wir das Geheimnis dahinter bald wissen würden.

Chris kam zu mir uns sagte mir, dass er der Meinung ist, dass ich das alleine machen sollte.

Denn keiner hätte Julien so nahe gestanden wie ich.

Ich willigte ein, auch wenn ich in dem Moment alles andere lieber gemacht hätte, da ich nicht wusste, was ich dort finde würde.

 

 

Nachdem Chris mich wieder alleine gelassen hatte, ging ich einen Schritt auf die Türe zu.

Ich konnte nichts verdächtiges feststellen.

Kein anderer Geruch, keine besonderen Auffälligkeiten, die darauf hindeuteten, dass sich in diesem Raum etwas schlechtes, gar grauenhaftes versteckte.

Ich drehte mit mehr als zitternden Händen den Schlüssel um, öffnete allerdings die Türe nicht.

Mehr als Respekt durchströmte meinen Körper als ich vor dieser mittlerweile nicht mehr abgeschlossen Türe stand.

Ebenfalls mit zitternden Fingern umfasste ich die Türklinke und drückte diese runter.

Die Türe sprang einen Spalt auf und ich versuchte etwas auszumachen, konnte allerdings nichts erkennen.

Auch jetzt kam mir kein unangenehmer Geruch oder ähnliches entgegen.

Ich fragte mich, was ich dort vermutet hätte, dass ich so über vorsichtig an die Sache ran ging und stieß die Türe dann ein Stück weiter auf.

Das was ich da zu sehen bekam, ließ mir auch gleich das Blut in den Adern gefrieren.

Es war kein schrecklicher Anblick und in dem Moment hätte sich wohl auch jeder gefreut, aber ich konnte es nicht.

Ein Tisch stand mitten in dem Raum.

Abgedeckt mit einem Tuch aus blauem Samt.

Darauf standen Bilder und lagen Briefe und Papierstücke.

Vereinzelt auch noch mehr Bilder.

Ich traute mich in den Raum rein und blickte mir jedes Detail gut an.

 

 

Jedes einzelne Bild auf diesem Tisch, zeige mich oder uns beide zusammen.

Jedes Schriftstück war an mich adressiert oder an mich gerichtet.

Ich hatte keine Ahnung wie lange ich da gestanden hatte und mir die Briefe durchgelesen hatte, aber es musste lange gewesen sein.

Und mit jedem Brief und jeder Zeile, die ich dort las kamen immer neue Tränen aus meinen Augen, die sich meine Wangen entlang ihren Weg bahnten.

In jedem Brief standen Liebesschwüre an mich gerichtet.

Mir hatte er scheinbar all die Zeit etwas vorgemacht.

Er hatte mir immer gesagt, dass er schwul sei und das wahrscheinlich auch nur, weil er der Meinung war, dass er zu alt für mich sei.

All die Jahre hatte er meine Liebe, die ich zu ihm fühlte erwidert und nur einfach nichts gesagt.

Lange danach noch fragte ich mich, ob ich vielleicht an seinem Tod Schuld war.

Denn er hatte in einem Brief geschrieben, dass er nicht mehr damit klar kommt, dass er mich nicht haben kann.

Ich fühlte mich mitverantwortlich und Schuld an seinem Tod.

Hätte ich damals gesagt, was ich wirklich für ihn empfinde, würde er dann heute noch leben?

Wären wir dann vielleicht glücklich geworden?

Alles Fragen die mich immer und immer wieder quälen und auf die ich keine Antwort mehr bekommen würde, weil er den feigeren Weg gewählt hatte.

Mir bleibt nichts mehr, außer die Erinnerungen an ihn und unsere gemeinsame Zeit und seinen Traum weiterhin zu leben.

Denn eine weitere Gemeinsamkeit gab es zwischen uns beiden.

Nicht nur die Liebe zueinander, sondern auch die Liebe zum gleichen Fußballverein.

Ich würde seinen Traum vom FC Schalke 04 weiterleben.

Denn er hatte immer gesagt, dass es nur eine wahre große Liebe im Leben gibt.

In dem Fall habe ich wohl zwei.

Den FC Schalke 04 und Julien.

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