Post 11 (Marcel)

 

Marcel wusste, dass es nicht immer einfach war mit ihm umzugehen. Aber gleichzeitig hatte er sich mit Kevin und Neven sicherlich auch nicht die einfachsten Charaktere als beste Freunde ausgesucht. Aber erstens suchte man sich seine Freunde nicht nach dem Schwierigkeitsgrad aus, und zweitens kamen sie wirklich gut miteinander klar. Dass das immer so gut funktionierte erstaunte neutrale Zuschauer von mal zu mal mehr. Jetzt hielt sich Marcel erst einmal raus, da Kevin gerade erklärte, dass es sich wie ein Kreuzverhör anfühlte, obwohl das keiner von ihnen beabsichtigt hatte. Bevor er also einen beleidigten Kommentar von sich gab, hielt er sich eine Weile zurück.

Als Neven dann Benedikt ins Gespräch brachte, reagierte Marcel heftig darauf, aber außer einem schrägen Blick brachte ihm das nichts ein – zum Glück. Kevs Kommentar brachte ihn kurz dazu, ein wenig zu grinsen – vor allem aber lenkte es von ihm ab, was jetzt auch ganz gut so war. Er mochte den Schlumpf ja ganz gerne, aber nachdem er ihn da einfach geküsst hatte, war er diesbezüglich einfach nur verwirrt. Das wollte er nicht! Mitch war der Einzige, der ihn küssen durfte und das so lange … Marcel merkte wieder einmal, wie schwer er es seinem Freund machte, und gleichzeitig wollte er ihn doch unbedingt an seiner Seite haben, den Kopf auf der Schulter ablegen und leise vor sich hinsummen, weil Mitch ihn so schnell in gute Laune versetzen konnte.

Mehr wollte ich doch gar nicht! Wenn, dann kommen doch für dich eh nur echte Borussen in Frage, oder?“

Marcel legte den Kopf schief. Zwischendurch hatte er das Gefühl, dass sie im Fußball einen Tunnelblick entwickelten, der alle anderen Menschen ausschloss. Aber gleichzeitig fragte er sich, ob jemand, der ganz ‚normal’ und nicht im Fußballbusiness arbeitete, das ständige unterwegs sein, die Leidenschaft, das ganze Drumherum überhaupt verstehen könnte. Wahrscheinlich nicht. Ein erster großer Streitpunkt.

Daher schluckte er sein: ‚Oder vielleicht jemand der nicht im Fußball tätig ist?’ wieder herunter. Es brachte nichts überhaupt diese Idee einzuwerfen. Das funktionierte bei Heterosexuellen, die ihre Spielerfrauen hatten. Aber es gab bisher keinen bekannten Spielermann … das ging dann doch alles innerhalb der Mannschaften.

,,Ich verstehe das ja auch. Aber wie gesagt da gibt es nicht viel zu berichten.“

 

Marcel sah ein wenig betreten zu Boden. Aber er schwor sich, jetzt nicht einfach betröpelt zu schweigen, sondern einfach zu sagen, was ihm aufstieß, oder welche Angst er gerade in solchen Momenten hatte.

Als er das tat, spürte er zuerst eine Hand an seinem Unterarm, die beruhigend darüber strich.

,,Das solltest du aber nicht denken. Ich vertraue euch und wenn etwas ist, dann sage ich es euch auch. Bitte mach dir keine Sorgen.“

Es war nicht immer leicht, in einer Freundschaft zu wissen, ob man auch genug Vertrauen nach außen ausstrahlte. Marcel wollte, dass man ihm vertraute, wie er es gleichermaßen bei Neven und Kev tat. Er vertraute ihnen mehr als sich selbst, das war sowieso klar … Diese Worte beschwichtigten ihn ein wenig und er nickte nur kurz, um zu zeigen, dass er versuchen würde nicht mehr so denken. Das das nie lange anhielt und irgendwann wieder Zweifel in ihm aufkamen, war ganz normal.

Neven mischte sich auch noch ein, erstaunlich sanft. Zu Anfang hatte er oft an Marcel gerüttelt und auf seine typische Art und Weise zu verstehen geben, dass er nicht so einen Schwachsinn denken sollte. Das half dann meist nur darin, dass Marcel den restlichen Tag schwieg, weil er es hasste, so heftig angefahren zu werden. Daran merkte man eben auch, dass Neven auch stetig in ihrer Freundschaft dazu lernte.

Schmelle, du bist neben Kevin der vertrauenswürdigste Mensch den ich kenne, hör damit auf dich immer selbst so schlecht zu machen! Man muss schon einiges drauf haben um es mit uns beiden auszuhalten!“

Ein Schmunzeln legte sich auf die Lippen des Blondschopf. Das war wohl richtig! Manchmal konnten die beiden, vor allem in Kombination, richtig anstrengend sein!

„Okay, ich versuch’s.“, murmelte er und lächelte dann beide dankbar an.

Das hatte er jetzt einfach gebraucht. Nachdem er schon mit Mitch gerade so seine Probleme hatte …

 

Das Thema, und auch das erste ihrer Begegnung, war nun endgültig vom Tisch. Stattdessen ging Neven völlig darin auf, von seinen Aktivitäten und Chris zu erzählen, was Marcel dazu brachte, die Augen zu verdrehen. Seine Frage war eher rhetorisch gemeint, denn es war klar, dass Nevens Antwort auf jedenfall „Ja“ hieß. Entsprechend fiel die tatsächliche Antwort dann aus. Marcel streckte ihm die Zunge heraus und verdrehte noch einmal die Augen. Statt nun aber etwas zu sagen, schien Neven eher derjenige zu sein, der gerade richtig neugierig war.

Wie is das eigentlich bei dir? Hast du schon wen im Auge? Hast du überhaupt schon irgendwelche Erfahrungen mit Männern?? Oder stehst du einfach nur auf hübsche Ärsche?“

„Neven, nicht alle sind wie du!“, sagte er vorwurfsvoll, das meinte er aber keinesfalls böse.

Neven hatte eben seine lockere, offene Art und die zeigte sich auch im sexuellen Bereich, während Marcel all diese Details besser nicht in den Mund nahm und deshalb auch ungern darüber sprach.

Aber wenn er so in Kevins Gesicht sah, ahnte er, dass dieser eher auf der Suche nach etwas anderes war. Etwas, das der Beziehung von Marcel mit Mitch nahe kam. Obwohl, das würde den Urborussen sicher erdrücken, er brauchte seine Freiheiten, aber nicht so viele wie ein Neven Subotic, den man besser nicht in eine feste Beziehung stopfte, die könnte er eh nicht richtig treu halten. Wobei, das war unfair. Wenn er eine feste Beziehung hatte, war er auch treu! Zumindest war das Marcels Meinung.

„Du wirst sicher einen liebenswerten Freund finden.“, meinte Marcel jetzt einfach mit einem Lächeln zu Kevin, strich ihm kurz übers Knie und wollte sich dann eigentlich erst einmal wieder aus dem Gespräch heraus halten.

 

Die Sache gestaltete sich aber nicht sonderlich leicht, weil Neven mit einem Mal wieder auf den Anfang ihres Gesprächs kam und darauf, dass Mitch nicht bei ihm war. Marcel verzog die Lippen und als Kevin dann auch noch einmal nachhakte – und dabei zielsicher ins Schwarze traf – begann er zu erzählen.

Dabei verzweifelte er von Wort zu Wort mehr, weil ihm bewusst wurde, wie schwachsinnig das war – wie unfair er gegenüber seinem Freund gewesen war und gleichzeitig konnte er das eben nicht … das ganze Öffentliche … und für ihn war das hier verdammt öffentlich! Angst, dass er entdeckt werden konnte, hatte er immer noch, auch wenn das so ‚alleine’ ohne Partner deutlich ungefährlicher war.

Nicht, dass er Mitch jetzt nicht mehr bei sich haben wollte. Das genaue Gegenteil war der Fall. Irgendwann hatte er die Hände vors Gesicht gepresst und wünschte sich nichts sehnlichster, als das Mitch plötzlich um die Ecke kam und ihn in die Arme schloss. Stattdessen spürte er von rechts Kevin und von links, weil Neven den Platz gewechselt hatte, seinen anderen besten Freund. Beide versuchten ihn mit vorsichtigen Berührungen zu beruhigen, die schwere Hand auf der Schulter und die leicht streichelnde an seinem Unterarm halfen ihm zumindest, ein wenig durchzuatmen, auch wenn sein Grundgefühl weiter bestehen blieb.

 

Dann sprang Kevin wieder ein, der auch eine wirklich gute Idee hatte, auch wenn Marcel nicht wusste, ob sie überhaupt irgendjemanden finden würden auf diesem großen Gelände. Er wusste ja überhaupt nicht, wo Mitch hin gegangen ist oder wo er hinwollte!

,,Vielleicht sollten wir uns gemeinsam auf die Suche machen und nach Mitch sehen. Ich bin sicher, dass wir ihn finden und dann solltest du vielleicht mit ihm reden und ihm sagen, was dich bedrückt. Du bist ja nicht mit ihm hier um dich schlecht zu fühlen. Hier sollte es dir ja gut gehen und du sollst dich wohlfühlen. Aber ich denke, dass reden immer noch am besten und am meisten hilft, findet ihr nicht?“

Marcel seufzte. Reden half wohl tatsächlich am Meisten.

„Ich will mich auf jedenfall erklären, aber ich glaube … ich glaube, dass ich mich hier nicht wohlfühlen werde.“, sagte er, ohne damit aber das letzte Wort gesagt zu haben.

Er wollte nicht gleich Nägel mit Köpfen schlagen, vielleicht kam doch noch der Tag, an dem er diesen Ort zu mögen begann, im Moment empfand er aber nur totale Abneigung.

Allein, weil er sich wegen diesem Ort und wegen all dem Dreck hier mit Mitch gestritten hatte!

Jetzt wurde er sauer auf die Schweiz und dieses Schloss. Schade, dass er dem Schloss nicht richtig die Meinung geigen konnte – na ja, ginge schon, aber mit Sicherheit würden einige sich an den Kopf fassen und ihn einweisen lassen …

„Würdet ihr wirklich mitkommen?“, fragte er leise und mit einem sanften Lächeln.

Seine besten Freunde waren einfach die Tollsten! Das stellte er immer und immer wieder fest.

Das ist sehr viel besser als meine Idee, die hätte dir nicht gefallen, Schmelle.“

Der Blonde sah zu Neven hinüber und kniff die Augen zusammen, weil er überlegen musste, was denn Neven hätte sagen können … aber er kam nicht drauf, und etwas versautes hätte in dem Moment doch nicht gepasst? Wobei, man konnte nicht sagen, was in dem versauten Hirn alles herum tigerte, während er vielleicht auf der Suche nach einer Lösung für das Problem war. Aber er war auch einfach nicht in der Laune dazu, nachzufragen oder böse zu sein, deshalb schwieg er einfach dazu, konnte das Grinsen sehen, das aber kurz darauf wieder verschwand.

Kev hat recht, wir sollten Mitch suchen und dann redet ihr am Besten nochmal in Ruhe. Ich weiss nicht… was hat er denn gesagt? Aber so wie ich euch zwei kenne hat dein Sunnyboy inzwischen auch ein schlechtes Gewissen und ist auf Harmonie aus. Sieh mal… ich weiss, das ist alles nicht leicht für dich hier und das sollte er ja eigentlich auch wissen, aber hier haben so viele Jungs Sex im Pool oder im Park oder im Wald und total öffentlich, sodass alle zugucken können. Das erwartet niemand von dir, aber ich glaube nicht, dass es hier Kameras gibt oder irgendjemand Interesse daran hat uns alle in die Pfanne zu hauen. Und wenn, dann können sie fast den gesamten Fußballsport als schwul bezeichnen, so viele wie hier sind!“

Marcel seufzte schwer.

„Ich glaube langsam zu wissen, dass es hier keine Kameras gibt, aber ich fühle mich trotzdem beobachtet.“, verteidigte er sich weiter.

„Vielleicht ging es Mitch dieses Mal aber zu weit? Er war immer so geduldig und so zuvorkommend und … ich hab ihn wirklich hart zurückgewiesen, vielleicht zweifelt er ob das alles noch Sinn macht?“

Wie so oft zogen seine deprimierenden Gedanken weite Kreise und seine Augen wurden groß bei dem Gedanken daran, dass sein Freund vielleicht tatsächlich entschied, ohne ihn besser dran zu sein … Das stimmte ihn sofort traurig und seine Mundwinkel rutschten noch ein Stück tiefer.

 

Und jetzt auf! Lasst uns das Känguru suchen und euch zwei Turteltäubchen wieder zusammen bringen.“

„Wenn er denn noch will.“, murmelte er und stand dann schwach nickend auf.

Brachte ja nichts. Aber wenn er einmal so einen dummen Gedanken hatte, ließ dieser ihn selten wieder los und jetzt hatte er fast Angst, auf Mitch zu treffen. Im Moment war das alles noch eine dumme Angst, aber spätestens wenn sein Freund ihm die Tatsachen eröffnete …

Vielleicht finden wir unterwegs ja auch was leckeres für dich.“

Das breite Grinsen von Neven war eigentlich ansteckend, aber Marcel sah ihn nur stumm an, sah dann zu Kevin. Die beiden konnten seine Fresse im Moment bestimmt nicht nachvollziehen, vor allem weil dieser Gedanke so aus dem Nichts aufgetaucht war.

„Vielleicht sollten wir auch nur nach was Nettem für Kevin suchen.“, lenkte Marcel rasch ein und strich sich nervös durch das Haar.

„Mitch wird schon nicht verschwunden sein und …“

Er schwieg, seine Befürchtung hielt er dann doch lieber für sich, weil er das doch etwas zu peinlich fand, wie er gerade am Rad drehte.

„Dieses Schloss macht mich noch wahnsinnig.“, beschwerte er sich leise und schüttelte kraftlos den Kopf.

Er wollte nach Hause, zurück nach Dortmund in seine Wohnung und dort zusammen mit Mitch liegen – einfach alles zurück zum normalen Ablauf. Das wäre so schön …

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